Seniorengärten und Ernährungshilfe – Altsein in Coronazeiten in Cantel/Guatemala

Aktuelles aus Cantel (März 2024)

Erfreulicherweise konnte Le Kat im Jahr 2023, nach den Einschränkungen durch die Coronapandemie, alle-Aktivitäten – die Ausflüge zu den heißen Quellen, die Erweiterung und Pflege der Seniorengärten, das Miteinander bei Festen und die Ernährungshilfe für einen Teil der Senioren/innen – durchführen. Es ist gelungen, in geeigneter Weise auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der alten Menschen einzugehen und dabei das Miteinander zu stärken.

In Zahlen ausgedrückt: Aktuell nehmen 125 alte Menschen aus dem Zentrum und neun Bezirken der Stadt Cantel teil. 45 von ihnen beteiligen sich am Teilprojekt Seniorengärten, 55 der Allerärmsten erhalten Ernährungshilfe, 4 haben Alzheimer, zwei sind blind und 19 gehbehindert. 26 der alten Menschen, die monatlich eine Lebensmittelspende erhalten, machen bei der Gartenarbeit mit. Alle sind sehr beunruhigt, weil die Lebensmittelpreise ständig steigen und sie, wenn überhaupt, nur über ganz geringe finanzielle Mittel verfügen.

Doña Mélida, die Krankenschwester, ist bei allen Aktivitäten dabei, bietet Gesundheitsberatung an und kümmert sich auch um Medikamente.

Gemeinsame Vorbereitung der Mahlzeit

Gemeinsame Vorbereitung der Mahlzeit beim Ausflug zu den heißen Thermen von Chicovix

Schon vor der Pandemie hat Doña Mélida, die Quiché spricht, angefangen, mit einzelnen alten Menschen oder auch Paaren über ihr Leben zu sprechen. In den übersetzten spanischen Gesprächsaufzeichnungen wird sehr deutlich, wie hart das Leben und vor allem der Frauen geprägt war von ständiger Gewalt und Hunger. Auch in diesem Jahr sind wieder biographische Gespräche geführt worden, die aber nicht weiter fortgeführt werden sollen. Doña Mélida schreibt uns dazu: „nicht alle wollen von ihrer traurigen Vergangenheit erzählen und sich überhaupt daran erinnern. Als sie jung waren (die Frauen), gab es viel Machismus und die Ehefrauen waren an das Haus gefesselt Sie mussten zu Haus bleiben und wurden eingeschlossen, wenn der Mann zur Arbeit ging. Wenn die Frauen davon erzählen, werden sie traurig und weinen, weil alle Gefühle von damals wieder aufbrechen.“ Doña Mélida beschreibt auch die Gewalterfahrung, die Frauen seit der Kindheit kontinuierlich erfahren.

Das Projekt kann leider keine therapeutische Hilfe anbieten. Doña Mélida hält es aber für heilsam, den alten Frauen „gute Momente“ anzubieten, wie die Ausflüge zu den Thermen und das Miteinander mit anderen alten Menschen. Dennoch bleibt das Bedauern, nicht mehr für diese so stark diskriminierten alten Frauen, nicht nur in Cantel/Guatemala, tun zu können.

Das Erzbistum Berlin beteiligt sich aus Mitteln des Fonds zur Förderung weltkirchlichen Engagements im Jahr 2024 mit € 5.000,00 an den Projektkosten. Die Stiftung ist weiterhin auf Spenden für das Projekt angewiesen. Projektkosten im Jahr: € 10.000,00.

Spenden bitte an Pax Bank

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Seniorinnenarbeit in Cantel/Guatemala: Kleines Projekt mit guter Wirkung

– Eine Zusammenfassung der bisherigen Arbeit – 2019 – 2023

Der Projektträger Verein Le K’AT ist in Cantel in mehreren sozialen Einrichtungen aktiv und unterhält u.a. auch eine Grundschule. Seniorenarbeit war kein Thema, weil vieles andere wichtiger schien, bis sich Bewusstsein für die schwierige Lebenssituation der Senioren/innen in Cantel entwickelte und die Seniorenarbeit Teil der Arbeit des Vereins wurde. Die Arbeit hat sich in mehreren Phasen entwickelt: Zunächst ging es dem Verein Le K’AT im Jahr 2019 darum, rund 150 alten Frauen ein Freizeitangebot zu machen, das insbesondere in der Feier der kirchlichen Feste und der Durchführung von Gruppenausflügen zu nahe gelegenen Thermalquellen bestand. Für die extrem armen Seniorinnen, deren Häuschen nur zum Teil über fließendes Wasser verfügen, sind gerade die Ausflüge zu den Thermen wichtig, weil sie Reinigungsbäder anbieten. Außerdem kochen die Frauen gemeinsam, tauschen sich aus und verbringen den Tag in der Natur. Sie erinnern sich auch gemeinsam an die Ausflüge in ihrer Kinderzeit, als es nur Thermalbrunnen gab – die sie kostenlos benutzen durften, – und als das Wasser noch selber geschöpft werden musste. Sie kommen mit den anderen Frauen ins Gespräch über ihr Leben, die Familie und was sie sonst bewegt. – Auch der Einladung, den Schulgarten der Grundschule zusammen mit Schüler/innen zu pflegen und gemeinsam zu kochen, haben viele Seniorinnen gerne angenommen.

Dann kam leider sehr bald die Coronapandemie, in der in Cantel strenge Ausgangsperren herrschten, sodass Gemeinschaftsveranstaltungen nicht mehr möglich waren. Gleichzeitig fielen die kleinen Zuverdienstmöglichkeiten, z.B. Wäsche waschen, weg. Die „Arbeitgeber“, z.B. Handwerker, hatten selber keine Verdienstmöglichkeiten mehr, da Markt nicht mehr stattfand, und haben daher keine Waschfrauen mehr beschäftigt. Für die Seniorinnen, die mehrheitlich keine Rente beziehen, wurde dadurch das Leben noch schwerer. Der Verein hatte dann darum gebeten, einen Teil der Finanzmittel, der für die Besuche in den Thermen bestimmt war, für monatliche Lebensmitteltüten zu verwenden. Gleichzeitig wurde von der Stiftung nachgefragt, ob nicht die Seniorinnen selber etwas für die Verbesserung ihrer Ernährung tun könnten.

Im Austausch ist dann die Idee von Bio-Seniorengärten entstanden, die unter Anleitung bei den Häuschen der alten Menschen angelegt wurden. Sehr bald konnten vor allem Gemüse und Kräuter gepflanzt und geerntet werden. Nur rund 30 alte Frauen, zum Teil unterstützt von Familienmitgliedern, sind allerdings körperlich in der Lage, Gartenarbeit zu verrichten. Aber die Seniorinnen, die mitmachen, sind zufrieden mit der Ernte oder auch den Salben, z.B. Arnikasalbe, die sie selber herstellen und die ihren Gelenken gut tun.

Inzwischen können die Freizeitaktivitäten wieder wie vor der Pandemie stattfinden und die Seniorinnen sind froh über die Ausflüge zu den Thermalquellen und die anderen Gruppentreffen. Die Arbeit mit den Seniorengärten wird parallel fortgeführt.

Bei den Aktivitäten mit den150 Senioren/innen in Cantel sind zwar einige wenige Männer dabei, aber zur Gruppe gehören vor allem alte Frauen. Eine Krankenschwester und eine Lehrerin des Vereins, die beide Quiche sprechen, haben mit einer ganzen Reihe von Seniorinnen Gespräche über ihr Leben geführt, in denen die Benachteiligung von Frauen erschütternd deutlich wird. Keine der Frauen hat die Grundschule abgeschlossen, alle haben als Kinder Gewalt in der Familie und später in der Ehe erlitten. Die nächste Mahlzeit war selten sicher. Die gesundheitliche Versorgung war nie ausreichend. Rentenansprüche haben sie nicht erworben, weil sie keinen Beruf hatten und nur Gelegenheitsarbeit verrichteten. Im Alter haben sich die Benachteiligungen eines ganzen Lebens verstärkt.

Die Förderung der Seniorenarbeit in Cantel trägt dazu bei, dass das Leben wenigstens gelegentlich leichter ist, dass die Senioren/innen sich gesünder ernähren können, dass sie die Coronazeit besser überstanden haben und soziale Kontakte pflegen können. Die gute Zusammenarbeit mit dem Verein Le K’AT hat auch die Anpassung der Aktivitäten an den sich verändernden Hilfebedarf der Seniorinnen erlaubt. Erfreulich ist vor allem, dass der Verein Le K’AT die alten Menschen in Cantel in den Blick genommen hat, nachdem sie bis dahin auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen konzentriert war. – Die Förderung der Arbeit wird weitergeführt. (vgl. auch unten die Etappen der Projektförderung und unter Durchgeführte Projekte: In Würde Altsein …)

Februar 2023


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Entwicklung der Projektförderung:

Die Stiftung Seniorenhilfe weltweit fördert seit 2019 die Senioren/innenarbeit in Cantel Seit Mai 2020 konnte wegen der Corona-Pandemie die eigentliche Seniorenarbeit nicht durchgeführt werden, sondern mehr als 100 alte Menschen erhielten monatlich Lebensmittelpakete. Die Regierung Guatemalas verteilte mit Hilfe der Stadtverwaltungen zwar wegen der Pandemie Lebensmittel an die Bevölkerung, sodass unser Projektpartner, der Verein Le K’AT in Cantel in der Region Quetzaltenango, sich um die Einbeziehung der Senioren/innen in das Programm bemüht hatten. Aber leider erfolgte die Verteilung der Lebensmittel nicht nach Bedürftigkeit, sondern nach Kriterien wie Verwandtschaft, Zugehörigkeit zur selben Partei u.ä. Der Verein bzw. die alten Menschen im Seniorenprogramm, ohne partei-politischen Einfluss, hatten daher keine Chance, öffentliche Hilfe zu erhalten. Die Ernährungshilfe des Verein war daher immer noch nötig und musste fortgeführt werden. Die Stiftung Seniorenhilfe weltweit war dabei behilflich.

zwei Frauen im Garten
Doña Sebastiana und eine Nachbarin ruhen sich nach der Gartenarbeit bei einem Schwatz aus

So wichtig die Ernährungshilfe auch war, haben die Verantwortlichen des Vereins Le K’AT die Idee nicht aufgegeben, dass die Arbeit mit Senioren/innen mehr sein sollte als das Verteilen von Lebensmitteln. So ist dann der Vorschlag entwickelt worden, die Senioren/innen einzuladen, bei ihren Häusern Gemüsegärten anzulegen, damit sie einen eigenen Beitrag zu ihrer Ernährung leisten.

Im Dezember 2020 konnte dann mit der Förderung des biologischen Gemüseanbaus mit dem Ziel einer ergänzenden Selbstversorgung begonnen werden. 27 Senioren/innen haben sich angemeldet und sind im Freien in kleinen Gruppen in den biointensiven Gemüseanbau eingeführt worden, damit sie ihren eigenen Garten anlegen können. Bei den Treffen wird auch immer überlegt, welche Pflanzen und Kräuter zur Herstellung von medizinischen Hausmitteln geeignet sind, der Gesundheit nutzen und wenig kosten.

Für die Ernährungshilfe (€ 2.500,00) und die Förderung von Gemüsegärten in Cantel (€ 5.800) hat die Stiftung Seniorenhilfe weltweit für das Jahr 2021 € 8.300,00 zur Verfügung gestellt. Der Verein Le K’AT trägt zu den Kosten bei.

April 2021

Der Verein Le K’AT informiert regelmäßig über die Entwicklung des Projekts. Damit die Corona-Regeln eingehalten werden, lädt der Koordinator Hugo Cortez jeweils kleine Gruppen ein, die im Freien angeleitet werden. Die Teilnehmer/innen erhalten jeweils z.B. Steckzwiebelchen sowie Samen für Rote Beete und Koriander, um ihren eigen Garten anzulegen. Inzwischen ist auch schon geerntet worden. 

Doña María zeigt zufrieden, die von ihr geerntet rote Beete.

Die Seniorenarbeit mit Freizeitaktivitäten, wie sie bis März 2020 durchgeführt wurde, konnte im Jahr 2021 leider immer noch nicht stattfinden, obwohl vielen alten Menschen Kontakt und Kommunikation mit anderen Menschen fehlten. Es wurde aber weiter an ihren Lebensgeschichten gearbeitet worden. Die Krankenschwester, Doña Mélida, suchte die Senioren/innen auf, sprach mit ihnen über ihr Leben und schrieb die Informationen auf. Sie hatte festgestellt, dass viele nicht gern von sich erzählen, und dass es dauert, bis die Senioren/innen glauben, dass ihr Leben wirklich interessiert. Bisher sind mehr als 20 alte Menschen, fast alles Frauen, interviewt worden. Alle hatten ein schweres Leben, litten unter häuslicher Gewalt des Vaters oder Ehemannes, haben fast keine Schulbildung oder einen Beruf. Selten in ihrem Leben gab es genug zu essen, aber immer haben sie hart gearbeitet und lebten ohne ausreichende ärztliche Versorgung. Bis ins hohe Alter versuchen sie, etwas Geld zu verdienen, weil sie keine Rente beziehen. Wenn man ihr Leben betrachtet, erstaunt es nicht, dass viele traurig sind.

Die Stiftung Seniorenhilfe weltweit hat auch 2021 die Arbeit mit Senioren/innen in Cantel unterstützt. Neben der Förderung der Seniorengärten und der Biographiearbeit war es weiter nötig, rund 50 Senioren/innen mit Lebensmitteln ergänzend zu versorgen. Die Zusammenarbeit wird im Jahr 2022 fortgesetzt.

Januar 2022

Aus Cantel, von Hugo Cortez, dem Projektkoordinator, und der Krankenschwester Doña Mélida kamen auch 2022 erfreuliche Informationen aus der Projektarbeit. Seit kurzem konnten wieder Erholungsangebote stattfinden, sodass bereits der erste Ausflug zur nahe gelegenen Therme, wo die Senioren/innen, die zu Hause fast alle kein fließendes Wasser haben, auch baden konnten. Andere Anlässe, sich zu treffen, waren der Muttertag und die Patronatsfeste der Stadtviertel.

Der andere Schwerpunkt der Arbeit liegt aber auf der Gartenarbeit. Die rüstigen alten Menschen werden in Gruppen unterstützt und angeleitet, damit sie ihren eigenen Garten biologisch bepflanzen und pflegen können. Gemeinsam werden z.B. natürliche Pflanzenschutzmittel hergestellt. Das Gemüse und die Kräuter, die geerntet werden, ergänzen die Ernährung der Senioren/innen und werden zum Teil auf dem Markt verkauft, sodass ein kleines Einkommen erzielt wird. Zu den Treffen der Gartenarbeit bei einer Familie mit Gemüsegarten nehmen inzwischen nicht nur die rüstigen Senioren/innen, sondern auch alte Menschen, die in der Nähe wohnen, aber nicht mehr arbeiten können, teil. Allen gefällt das Miteinander und es gibt immer viel zu erzählen und zu überlegen.

Insgesamt werden mehr als 100 alte Menschen erreicht. Dennoch benötigen zusätzlich ca. 50 alte Menschen ergänzende Ernährungshilfe und erhalten einmal monatlich eine Lebensmittelspende.

August 2022

Frauen in bunter Kleidung
Bevor die Gruppe nach einem Ausflug auseinander geht, wird noch ein traditioneller Son getanzt.